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Die soziale Dimension der Alternativenergie

Wenn Windkraft oder Photovoltaik in der Landschaft installiert werden sollen, ist auch die soziale Akzeptanz ein wesentliches Kriterium. Eine Studie zeigt, wie sich das wissenschaftlich solide berücksichtigen lässt.

Schweizer Landschaft mit Windenergieanlagen und PV

© Reto Spielhofer & Ulrike Wissen Hayek (2017)

Beispiel einer Energielandschaft in den Voralpen mit Windenergieanlagen und Freiflächenfotovoltaikanlagen wie sie von den Probanden beurteilt wurde.

Bei einer nachhaltigen Energiewende muss das Kunststück gelingen, mehrere wichtige Anforderungen gleichzeitig zu erfüllen: Neue Energieanlagen sollten dort errichtet werden, wo sie möglichst effizient sind und einen hohen Ertrag liefern. Gleichzeitig sollen die ökosystemorientierten Kosten – ihr Einfluss auf Biodiversität, kulturelles Erbe, Tourismus etc. – minimal sein. Und nicht zuletzt sollen neue Anlagen auf möglichst hohe Unterstützung in der Bevölkerung stoßen: Der technisch beste Standort ist ungeeignet, wenn er breite Ablehnung der Bevölkerung hervorruft.

In der Schweiz ist es nun gelungen, ein Modell zu entwickeln, mit dem sich diese Anforderungen gemeinsam betrachten lassen. Dafür wurden die Präferenzen der Bevölkerung für Energielandschaften, die auf charakteristischen Schweizer Landschaften und verschiedenen Energieinfrastrukturen wie Windanlagen, Freiflächen-Fotovoltaikanlagen und Gebäude-Fotovoltaikanlagen basieren, repräsentativ erfasst. Diese Präferenzen wurden dann in ein Optimierungsmodell integriert, das Energieproduktion, Ökosystemleistungen und soziale Akzeptanz gleichwertig berücksichtigt.

Durchgeführt wurde die Studie von der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL (Schweiz) in Kooperation und der ETH Zürich (Schweiz). Leitender Autor ist Boris Salak, der das Projekt an der WSL begann und dann ans Institut für Städtebau, Landschaftsarchitektur und Entwerfen in den Forschungsbereich Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung der TU Wien wechselte, wo er die Studie nun fertigstellte.

Soziale Akzeptanz als Teil eines umfassenden Optimierungsmodells

Grundlage der Studie ist eine großangelegte repräsentative Umfrage in der Schweiz wo den teilnehmenden Personen wiederholt jeweils zwei verschiedene Energielandschaftsszenarien präsentiert wurden. Man verwendete dafür Bilder mit Windkraftanlagen, Fotovoltaikanlagen auf Dächern oder in Freiflächen, oder auch mit Hochspannungsleitungen in unterschiedlichen charakteristischen Landschaften. Die Personen waren aufgefordert, zu entscheiden, welches Szenario am passendsten erschien oder ob keines der dargestellten Energieszenarien für sie in Frage kam. Aus diesen Antworten konnte man ein statistisches Modell extrahieren, das die Akzeptanz verschiedener Energieanlagen in verschiedenen Landschaftstypen abbildet.

Nun konnte man diese sozialen Informationen, gemeinsam mit Informationen zur Energieproduktion und zu Ökosystemleistungen in ein umfassendes Optimierungsmodell einpflegen. Drei Hauptstrategien wurden untersucht: 1) Die Energieanlagen sollten dort platziert werden, wo sie am meisten Energie produzieren können (Priorität: Energieeffizienz), 2) Die Anlagen sollten dort platziert werden, wo sie den geringsten Verlust an Ökosystemdienstleistungen verursachen (Priorität: Erhaltung der Ökosystemdienstleistungen), 3) Die Anlagen sollten dort platziert werden, wo sie von der Bevölkerung am ehesten akzeptiert werden (Priorität: öffentliche Akzeptanz).

Erfolgsstrategie: Entscheidungen auf soziale Akzeptanz ausrichten

Diese drei verschiedenen Strategien führen zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen: Wenn man auf Energieeffizienz fokussiert, braucht man zwar am wenigsten Fläche, doch die kosten im Bereich der Ökosystemleistungen sind hoch – bemerkenswerterweise war die soziale Akzeptanz in diesem Szenario allerdings gut, die sozialen Kosten waren somit niedrig.

Im Gegensatz dazu führte die Schwerpunktsetzung auf den Erhalt von Ökosystemdienstleistungen zu erhöhten sozialen Kosten und geringerer räumlicher Effizienz, obwohl sie ökologisch vorteilhaft war.

Die auf soziale Aspekte ausgerichtete Strategie schließlich stellte sich als ausgeglichener Ansatz heraus, der räumliche Effizienz mit minimalen sozialen Kosten und reduziertem Verlust an Ökosystemdienstleistungen im Vergleich zur Strategie der Energieeffizienz verband.

Laut Studie wird die Energiewende vorrangig in landwirtschaftlich geprägten und besiedelten Regionen des Mittellandes (von St. Gallen bis Genf), in urbanisierten Hauptalpentälern (wie dem Rhonetal) und in Alpenregionen mit touristischer Infrastruktur (beispielsweise Skigebiete) stattfinden. Obwohl diese Standorte ökologisch und sozial teilweise mit hohen Kosten verbunden sind, zeigt das Optimierungsmodell ihre entscheidende Bedeutung für eine erfolgreiche Energiewende auf, sodass ein Ersatz dieser Standorte kaum möglich erscheint.

Bedeutungen für die österreichische Energiewende

Auch wenn die Befragung in der Schweiz durchgeführt wurde, ist sie für die österreichische Energiewende bedeutsam, denn: „Unsere Studie zeigt, dass es durchaus Standorte für Energieanlagen gibt, die von der Bevölkerung akzeptiert werden, räumlich effizient sind und geringere Auswirkungen auf Ökosystemleistungen haben als eine rein techno-ökonomisch priorisierte Standortauswahl“, sagt Boris Salak. „Um diese Standorte zu identifizieren, brauchen wir allerdings einen Paradigmenwechsel in der Planung und eine stärkere Beteiligung der Bevölkerung am Entscheidungsprozess. Es geht nicht nur darum, technische Lösungen zu finden, sondern auch darum, die soziale Dimension der Energiewende besser zu verstehen und die Belange der Gesellschaft frühzeitig in Planungen zu integrieren.

Originalpublikation

Boris Salak (TU Wien/WSL), Marcel Hunziker (WSL), Adrienne Grêt-Regamey (ETH Zürich), Reto Spielhofer (NINA Trondheim/ETH Zürich), Ulrike Wissen Hayek (ETH Zürich) & Felix Kienast (WSL): Shifting from techno-economic to socio-ecological priorities: incorporating landscape preferences and ecosystem services into the siting of renewable energy infrastructure. PLOS ONE, 2024., öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Rückfragehinweis

Dr. Boris Salak
Institut für Städtebau, Landschaftsarchitektur und Entwerfen
Technische Universität Wien
+43 1 58801 26111
boris.salak@tuwien.ac.at

 

Text: Florian Aigner