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Woman in Science: Christiane Philipp, Leiterin IT-Infrastructure

Führen ohne Hierarchie, geht das? Wie Christiane Philipp ihre Führungsrolle anlegt, erzählt sie neben anderem Spannendem im Interview. Seit November 2023 leitet sie an der TUW den Fachbereich IT Infrastruktur.

Christiane Philipp stehnend, mit dunkelblauem Hemd, Kurzhaarschnitt und Brille, grau-weiße Haare

Christiane Philipp ist begeisterte Technikerin. Das ist eine Konstante in ihrem Leben, in dem sich ansonsten vieles veränderte. Sie studierte Physik, Mechatronik und Elektrotechnik, auch neben ihrer jetzigen Funktion als Leiterin studiert sie „Internet of Things und Intelligente Systeme“. Ihre Technikbegeisterung begleitete sie auch während der Jahre, in der sie sich der Erziehung ihrer drei Söhne widmete. Eine Zeit, in der sie vieles an Führungskompetenz lernte, wie sie erzählt.
Philipp wurde dreimal in ihrem beruflichen Leben gefragt, ob sie eine Teamleitung übernehmen möchte, zweimal hat sie abgelehnt, beim dritten Mal, an der TU Wien, hat sie einige Nächte darüber geschlafen bevor sie schließlich zustimmte. In ihrer Aufgabe als Fachbereichsleiterin managt sie nun die IT-Infrastruktur der TU Wien: Sie stellt sicher, dass die Server, die Speichersysteme und die Rechenzentren der TU.it laufen, aber auch dass ihr Team gut (zusammen)arbeitet.

Christiane Philipps Büro ist übersichtlich, wenige Gegenstände lenken ab. Daher fällt sofort das Bild einer Holzbrücke an ihrer großen Pinwand hinter dem Schreibtisch auf. Was es damit auf sich hat, verrät sie am Ende unseres Gesprächs.

 

Interview mit Christiane Philipp

Christiane Philipp ist eine freundliche, direkte und genauso überlegte wie offene Person. Was es wiegt, das hat es bei ihr. Diese Eigenschaft macht sie zu einer sehr interessanten Gesprächspartnerin, denn sie beantwortet Fragen ehrlich:

Frau Philipp, was ist ihre Aufgabe als Führungskraft und was hat sie dafür qualifiziert?

Neben dem Management der IT-Infrastruktur, also den fachlichen Abläufen motiviere ich meine Mitarbeiter_innen zur Zusammenarbeit; was manchmal aufgrund unserer Strukturen schwierig ist. Ich verstehe es als meine Aufgabe, dass wir miteinander kooperativ umgehen und dass wir mit gutem Beispiel vorangehen und Lösungen finden.

Teamleitung war für mich neu, bisher habe ich mich immer mit der Technik beschäftigt, mit Servern und anderen digitalen Systemen. Ohne die Erfahrung der Erziehung meiner Söhne, hätte ich mich nicht in die Rolle getraut. Ich habe sie begleitet und dazu gebracht, dass sie selbständige junge Menschen sind. Das wünsche ich mir auch für Mitarbeiter_innen und Kolleg_innen: Dass sie kritische, selbständige Menschen sind, die in der Lage sind, sich entsprechend ihrer Möglichkeiten im Team mitzuteilen und miteinander zu arbeiten ... Kennen Sie das Bild aus der Montessoripädagogik? Man sieht einen Prüfer: ein Mensch, der an einem Tisch sitzt, man sieht einen Baum und viele verschiedene Tiere: Vögel, Giraffen, Krokodile, Affen. Die Aufgabenstellung des Prüfers ist – damit die Aufgabe gerecht ist – dass alle auf einen Baum klettern! Sofort ist klar, dass das nicht passt, weil jede_r unterschiedliche Begabungen und Voraussetzungen mitbringt.

Meine Verantwortung ist es also, mit den Mitarbeiter_innen zu reden und ihren Interessensbereich abzuklären und sie dann entsprechend ihrer Neigungen einzusetzen. Die Leute möchten auch gerne immer wieder etwas Neues machen. Es ist zentral, wie man miteinander umgeht und dass man aufeinander achtet. Das ist einer der Punkte, warum ich mich für die Führungsrolle entschieden habe.

Was war für Sie dabei eine neue Erfahrung?

Dass man mit den Kolleg_innen nicht mehr so umgehen kann wie zuvor. Man muss eine gewisse administrative Basis schaffen, die für alle gleich ist. Und man muss unter Umständen aushalten „die Böse“ zu sein und auf die Einhaltung von Regeln zu pochen – das war und ist immer noch ein Lernprozess.

Stimmt mein Eindruck, dass Ihnen Hierarchie nicht so wichtig ist?

Ich lehne Hierarchie ab.

Das würde eine schöne Überschrift für unser Interview geben!

Oh Gott, wenn das mein Vorgesetzter liest! [lacht] Aber er kennt mich eh. Hierarchie ist ein wichtiges Thema. Ich bin dafür, dass man keine Hierarchien lebt. Das ist aber der Konflikt, den ich vorher gemeint habe. Man muss einfach als Führungskraft eine gewisse fixe Vereinbarungsschicht haben, was von anderen vielleicht als Hierarchie wahrgenommen wird, weil ich bestimmte Dinge genehmige. Aber ich bin nicht bereit, das bis ins Äußerste zu leben. Ich habe nicht vor, mich als der King Kong aufzuspielen, über den alles laufen muss. Es muss einfach gewisse Entscheidungsfreiheiten geben, möglichst viele. Ich komme ins Spiel, wenn es Probleme gibt. Aber mir ist es wichtig auf Augenhöhe zu sprechen und zu einer guten Lösung zu kommen.
Aber Hierarchie ist ein schwieriges Thema: Bei meinem früheren Arbeitgeber in München habe ich mit meinem Vorgesetzten in einem Team gearbeitet, aber ich hatte Entscheidungsfreiheit. An der TU Wien habe ich bemerkt, dass die patriarchalen Strukturen sehr stark sind, so, dass es manchmal schwierig ist sich wohlzufühlen. Auch an der TU.it gab es sehr viele Hierarchiestufen bis es zu einer Entscheidung kam – das kann Energie und Motivation rauben. Ich beziehe mich aber vor allem auf frühere Zeiten. Seit November 2023 ist Horst Eidenberger interimistischer Abteilungsleiter; er hat einen anderen Blick, organisiert anders und bezieht Kolleg_innen mit ein. Wir gehen in eine gute Richtung. Auch unsere Personalentwicklung bietet gute Seminare für Führungskräfte (übrigens auch hervorragende Begleitung, wenn man neu in der Führungsrolle ist), in denen Teamarbeit im Vordergrund steht und das Auflassen hierarchischer Strukturen. Die Führungskraft beschränkt sich dabei auf das Administrative. Dieses Thema sollte öfter angeboten werden, vielleicht sogar verpflichtend. Das würde der TU guttun.

Sie haben sich offenbar immer Arbeitsplätze gesucht, in denen sie unabhängig und nach ihrer eigenen Fasson arbeiten können?

Ich versuche mich Systemen zu entziehen, in denen es nicht um Menschen und Technik (oder Technik für Menschen) geht, in denen rein politische, nicht aber gemeinschaftliche Entscheidungen dominieren – und das hat auch bis auf wenige Ausnahmen ganz gut funktioniert.
Ich bin jemand, der autodidaktisch unterwegs ist. Das bedeutet, ich habe mich in bestimmte Services selbständig eingearbeitet, viel herumgespielt, ausprobiert und gelesen. Irgendwann habe ich, weil ich so gut eingearbeitet war, die Verantwortung für diese Services bekommen und konnte mich frei bewegen.

Das bedeutet aber sicher auch, dass sie dafür einen hohen Einsatz gegeben haben?

Ja, ich habe oft abends oder am Wochenende gearbeitet. Ich kann aber nicht sagen, dass es mir in der Freizeit abgegangen wäre, weil ich IT wirklich gerne mache.

Kommen wir zu einer langen Periode in ihrem Leben, der Familienzeit. Was war in diesen 16 Jahren für Sie wichtig?

Ehrlich gesagt, fand ich das wahnsinnig anstrengend, weil ich nicht so sehr das klassische Frauenbild verkörpere, mit Kochen und Hausarbeit. Ich habe immer schon gerne Technik gemacht, hatte ein Physikstudium begonnen, danach Elektrotechnik, das ich nach der Geburt meines dritten Sohnes 1999 abgebrochen habe. Mechatronik habe ich dann 20 Jahre später abgeschlossen.

Zu Hause, mit meinen Söhnen, habe ich die Haustechnik gemacht, z.B.  das Netzwerk aufgebaut. Wir haben Computereinzelteile gekauft und zusammengebaut. Hausautomatisierung war damals ein Thema, das aufkam. Also das, was man heute Smart Home nennt, dazu gehört z.B. Beleuchtungs- und Temperatursteuerung.

Sie haben also ihr Haus technisiert während der Familienzeit, gemeinsam mit ihren Söhnen?

Ja, mit den Möglichkeiten, die es damals gab.

Dafür, dass Sie es so anstrengend fanden, haben sie ganz schön lange Familienzeit gemacht …

Ich habe keine Alternative dafür gesehen. Ich hatte zwar immer im Hinterkopf mein Studium der Elektrotechnik wiederaufzunehmen, aber wie es dann auch so ist, braucht man einen konkreten Anlass. Bei mir war es damals eine Gesetzesänderung. Es war anstrengend, aber ich habe in der Regelstudienzeit abgeschlossen.

Waren die Zeiten der Kindererziehung ein beruflicher Nachteil für Sie? Es ist ja für viele Frauen schwierig, wieder in den Beruf zurückzukehren, weil sie Weiterentwicklungen in ihrem Beruf versäumen. Dabei gewinnt man doch auch viel an Menschenkenntnis und sozialer Kompetenz, wie sie auch vorhin gesagt haben.

Ich habe viel darüber nachgedacht: Es hätte ein Nachteil für mich sein können, wenn ich mein Elektrotechnikstudium damals beendet hätte, als mir nur zwei Prüfungen gefehlt haben. Ich bin immer zu dem Schluss gekommen, dass ich mit dem Stand von 1999 nach meiner Familienzeit nie Fuß fassen und Karriere hätte machen können. Das war nur möglich, weil ich nach der Familienzeit ein Studium absolviert und abgeschlossen habe. Deswegen habe ich jetzt einen Job in der IT und Technik. Ich fing zwar als Berufsanfängerin an, aber das spielte keine Rolle.

Was fasziniert sie am meisten in der technologischen Entwicklung?

Mich interessieren Möglichkeiten etwas weiterzuentwickeln oder zu ersetzen. Die Bewegung ist spannend für mich und die Vielzahl an Entwicklungen, die kein Mensch vorhersehen kann.

Der Fortschritt belebt sie? Manche ängstigt der technologische Fortschritt.

Ich finde den Fortschritt und die Veränderung spannend, das ist ein Wesenszug von mir – zumindest in der technischen Richtung. Dadurch, dass ich so viele Schritte und Brüche in meinem Leben gewagt habe, machen mir Veränderungen keine Angst. Ich habe einmal eine Weiterbildung gemacht, mit dem Titel „Alles bleibt anders. Der Umgang mit dem Unveränderlichen“. Von da stammt das Bild mit der Holzbrücke an meiner Pinwand: Du siehst nicht genau, wo sie hinführt. Ich fand das ansprechend, auch für mich privat, wo mir Veränderungen nicht ganz so leichtfallen.

Abschließend noch: Was hat sie am meisten geprägt?

Ich habe schon als Kind versucht, mich Hierarchien zu entziehen und mein eigenes Ding zu machen. Diese Eigenschaft hat sich durch mein Leben gezogen und ich empfinde sie als positiv: Ich kann mich sehr oft selbst auf Spur bringen und bin eigenständig.

Danke für das Interview!